Reizdarm – Chronische Krankheit mit unklarer Ursache
Bei einem Reizdarm sind häufig die Bewegungsabläufe im Darm gestört. Vielfach ist der Informationsaustausch zwischen Gehirn und Darm (Darm-Hirn-Achse), die Balance der Darmmikrobiota (Darmflora ) sowie die Darmbarriere gestört. Oft werden schon normale Verdauungsvorgänge als schmerzhaft empfunden, ohne dass organische (körperliche) Veränderungen im Magen-Darm-Trakt nachzuweisen sind.
Ein Reizdarm liegt vor, wenn
- die Beschwerden (Bauchkrämpfe, Blähungen) länger als 3 Monate anhalten und mit Stuhlveränderungen (Durchfall oder Verstopfung) einhergehen
- die Beschwerden sehr belasten, die Lebensqualität stark beeinträchtigen und die Betroffenen deswegen ärztliche Hilfe suchen
- keine anderen Krankheiten als Ursache gefunden werden konnten (Ausschlussdiagnose)
Die Symptome treten oft in Verbindung mit der Nahrungsaufnahme auf und bessern sich nach dem Stuhlgang. Sie können gemeinsam oder im Wechsel vorkommen und verstärken sich häufig bei Stress.

Meist tritt das Reizdarmsyndrom zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr erstmals in Erscheinung. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Die genaue Ursache der Krankheit ist noch nicht bekannt. Vermutlich ist der Informationsaustausch zwischen Gehirn und Darm (Darm-Hirn-Achse), möglicherweise auch die Kommunikation zwischen Darmmikrobiota (Darmflora) und Darmschleimhaut, gestört. Auch erbliche Veranlagung oder Umwelteinflüsse können eine Rolle spielen. Seelische und körperliche Belastungen können die Erkrankung ebenfalls auslösen oder verschlimmern.
Mögliche Ursachen eines Reizdarmsyndroms (RDS)
Die Darmbewegung wird über ein Nervensystem in der Darmwand gesteuert, auch als „Bauchhirn“ bezeichnet. Neue Erkenntnisse zeigen, dass auch beim Reizdarmsyndrom unterschwellige Entzündungsprozesse dieses autonome Nervensystem in dessen Funktion stören. Die Darmmuskulatur bewegt sich zu schnell oder zu langsam, der Weitertransport des Nahrungsbreis ist gestört: Durchfall oder Verstopfung sind die Folge.
Im menschlichen Darm leben Billionen von Bakterien, sie bilden die natürliche Darmmikrobiota (Darmflora) und unterstützen den Darm bei seiner Verdauungs- und Abwehrarbeit. Die Darmbakterien helfen bei der Verwertung von Nahrungsbestandteilen, verhindern, dass sich Krankheitserreger im Darm ausbreiten können, und tragen zum Funktionieren unseres Immunsystems bei. Äußere Einflüsse wie zum Beispiel Antibiotika können die Darmmikrobiota (Darmflora) empfindlich stören, weil sie auch nützliche Darmbakterien abtöten und so die Darmfunktion beeinträchtigen.
Die Darmwand ermöglicht unserem Körper die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme aus dem Darminhalt, muss aber auch das Eindringen von gefährlichen Bakterien verhindern. Dies gelingt der Darmschleimhaut durch sogenannte Tight Junctions. Dies sind Verbindungen (ähnlich eines Reiß- oder Klettverschlusses) benachbarter Darmwandzellen miteinander. So können keine Fremdstoffe hindurchgelangen. Bei Reizdarm ist diese Darmbarriere häufig geschwächt und durchlässig. Giftstoffe, Allergene oder Krankheitserreger können dann die Darmschleimhaut durchdringen und dort unterschiedliche Immunreaktionen hervorrufen.
Ob Stress, Angst oder Kummer: Seelische Faktoren können die Reizdarm-Symptome verschlimmern. Unter akuten psychischen Belastungen steigt die Magensaftproduktion an, die Darmbewegungen nehmen zu und auch die Immunvorgänge im Darm verändern sich.
Bei einigen Patienten wurden typische genetische Veränderungen gefunden, die auch bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen vorkommen.
Reizdarmsyndrom? Machen Sie den Test!
Leiden Sie immer wieder unter Durchfall und/oder Verstopfung, Bauchkrämpfen oder Blähungen? Mit dem folgenden Test können Sie feststellen, ob Ihre Beschwerden möglicherweise auf das Reizdarmsyndrom (RDS) hindeuten.

Reizdarm – die Symptome beeinträchtigen die Lebensqualität
Die Beschwerden der Betroffenen können sehr unterschiedlich sein und sich im Laufe der Zeit verändern. Sie können ein Leben lang, mal stärker mal schwächer ausgeprägt, auftreten. Zu den typischen Reizdarm-Beschwerden gehören:
- Bauchschmerzen und Völlegefühl – mal mehr, mal weniger stark ausgeprägt
- Blähungen – oft schmerzhaft
- Durchfall oder Verstopfung – auch abwechselnd
- Gefühl der unvollständigen Darmentleerung nach Toilettenbesuch
- Schleim am Stuhl
Zusätzlich leiden Betroffene oft unter Beschwerden außerhalb des Darmbereiches, wie z. B. Kopfschmerzen, Rücken- und Gelenkschmerzen, Schlaf- oder Angststörungen oder depressiven Verstimmungen.
Die Bristol-Stuhlformen-Skala
Je nachdem, welche Beschwerden überwiegen, lassen sich verschiedene Formen des Reizdarmsyndroms nach der Bristol-Stuhlformen-Skala unterscheiden:
Durchfalltyp: hauptsächlich Durchfall (Typ 6 und 7 Stuhlformen)
Verstopfungstyp: hauptsächlich Verstopfung (Typ 1 und 2 Stuhlformen)
Mischtyp: wechselnde Beschwerden
Die Ausschlussdiagnose Reizdarm
eine besondere Herausforderung
Die Diagnose Reizdarmsyndrom ist oft eine Herausforderung, denn die Beschwerden des einzelnen Patienten können sehr unterschiedlich sein und sich im Laufe der Zeit verändern. Außerdem gibt es eine Vielzahl von Krankheiten, die ähnliche Symptome zeigen. Ein Reizdarm liegt vor, wenn
- die Beschwerden (Bauchkrämpfe, Blähungen) länger als 3 Monate anhalten und in der Regel mit Stuhlveränderungen (Durchfall oder Verstopfung) einhergehen
- die Beschwerden die Betroffenen sehr belasten, die Lebensqualität stark beeinträchtigen und sie deswegen Hilfe suchen
- keine anderen Krankheiten als Ursache gefunden werden konnten (Ausschlussdiagnose)
Am Anfang der Diagnose steht ein ausführliches Gespräch der Patientin mit der Therapeutin über ihre Beschwerden, ihre Krankengeschichte und ihre Lebenssituation. Unser Patienten-Tipp: Ein Beschwerdetagebuch kann helfen, sich auf das Gespräch vorzubereiten. Hier wird über einige Zeit genau aufgeführt, welche Beschwerden unter welchen Umständen (Tageszeit, Ernährung, Stress etc.) aufgetreten sind. Danach führt der Arzt eine körperliche Untersuchung durch. Er tastet die Bauchregion ab, um schmerzhafte oder verhärtete Stellen zu entdecken. Im Rahmen einer rektalen Tastuntersuchung wird der Enddarm mit dem Finger ausgetastet.
Diagnose eines Reizdarmsyndroms (RDS)
Es gibt kein Diagnoseverfahren, das ein Reizdarmsyndrom sicher nachweist. Die Diagnose erfolgt nach dem Ausschlussprinzip. Alle anderen Magen-Darm-Erkrankungen, die ebenfalls für die Beschwerden verantwortlich sein könnten, werden durch geeignete Verfahren ausgeschlossen. Zu diesen Krankheiten gehören z. B.
- Darm-Infektionen (z. B. mit Salmonellen)
- Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa)
- Nahrungsmittelunverträglichkeiten
- Glutenunverträglichkeit (Zöliakie)
- Weizenunverträglichkeit
- Laktoseintoleranz (Milchzuckerunverträglichkeit)
- Unverträglichkeit von Fruktose oder Sorbit
- gestörter Stoffwechsel der Gallensäuren
- Funktionsstörung der Bauchspeicheldrüse (exokrine Pankreasinsuffizienz EPI)
- Störungen der Schilddrüsenfunktion
- Tumore im Magen-Darm-Trakt
Folgende Diagnoseverfahren können dabei zum Einsatz kommen:
- Blutuntersuchungen mit Blutbild, Entzündungswerten, Leberwerten, Bauchspeicheldrüsen- und Gallenwerten, Tumormarker
- Stuhluntersuchung auf Parasiten, Entzündungsmarker, Blut und Gallensäuren
- Ultraschall (Sonografie) des Bauches, um Lebererkrankungen auszuschließen
- Darmspiegelung (Endoskopie) bei Durchfall zur Untersuchung der Darmschleimhaut und zum Ausschluss von Darmkrebs
- Tests auf Nahrungsmittelunverträglichkeiten und -allergien
- Bestimmung der Pankreas-Elastase 1 im Stuhl, um eine gestörte Funktion der Bauchspeicheldrüse (exokrine Pankreasinsuffizienz – kurz EPI) auszuschließen
- Gynäkologische Untersuchung bei Frauen, um Eierstockkrebs und Endometriose auszuschließen
Reizdarm und Funktionsstörung der Bauchspeicheldrüse unterscheiden
Beschwerden wie Durchfall, Blähungen und Bauchschmerzen können bei beiden Erkrankungen auftreten. Wenn die Produktion der Verdauungsenzyme in der Bauchspeicheldrüse gestört ist, kommt es aber außerdem oft zu Übelkeit, Erbrechen und übelriechenden Fettstühlen. Letzteres ist ein deutliches Anzeichen für eine ungenügende Produktion von Verdauungsenzymen. Der Fettstuhl schwimmt im Toilettenwasser und hinterlässt deutliche Spuren in der Toilettenschüssel. Bei einer gestörten Funktion der Bauchspeicheldrüse können die fehlenden Enzyme z.B. durch Rizoenzyme ersetzt werden.
Eine starke Darmbarriere kann bei Erkrankungen wie dem Reizdarmsyndrom das Beschwerdebild verbessern.